Der Oberste Gerichtshof hat eine Nichtigkeitsbeschwerde in einer Strafsache nicht inhaltlich behandelt, weil der Schriftsatz zahlreiche Fehlzitate enthielt und offenbar ohne fachliche Kontrolle mit KI erstellt wurde. Die Entscheidung zeigt zweierlei. KI kann Teil moderner Anwaltsarbeit sein. Ohne qualifizierte Prüfung und Verantwortung der Verteidigung führt der Einsatz zu unerwarteten Risiken.
Nach den öffentlich zugänglichen Informationen wimmelte die Beschwerde von Fehlzitaten und stützte sich auf nicht existente höchstgerichtliche Entscheidungen. Der OGH sah das erforderliche Argumentationsniveau für Nichtigkeitsgründe als nicht erfüllt und verzichtete deshalb auf eine inhaltliche Erwiderung. Damit setzt das Höchstgericht ein deutliches Signal für inhaltliche Qualität und fachliche Kontrolle bei KI gestützter Arbeit.
Zwei Vorschriften sind zentral.
Erstens verlangt § 285a lit 2 StPO, dass Nichtigkeitsgründe in Anmeldung oder Ausführung deutlich und bestimmt bezeichnet werden. Gelingt das nicht, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Zweitens verlangt § 285a lit 3 StPO, dass die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde entweder zu Protokoll oder in einer vom Verteidiger unterzeichneten Eingabe erfolgt. Fehlt die Unterschrift, ist der Mangel binnen Frist zu beheben. Inhaltliche Mängel bleiben davon unberührt.
Parallel dazu konkretisiert § 9 Abs 1 RAO die Berufspflichten. Anwältinnen und Anwälte haben die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Dazu gehört die fachliche Kontrolle von Arbeitsergebnissen, auch wenn digitale Werkzeuge beteiligt sind.
Wesentliche Botschaft der aktuellen Causa. Der Einsatz von KI in Kanzleien ist nicht per se unzulässig. Maßstab bleibt, ob das Vorbringen schlüssig ist, ob Zitate stimmen und ob die Verteidigung die fachliche Verantwortung aktiv wahrnimmt. Genau dazu passt die Systematik der StPO und der RAO.
Das europäische KI Gesetz ist in Teilen bereits in Kraft. Es etabliert Pflichten für Organisationen, die KI einsetzen, inklusive Anforderungen an Kenntnisse und Befähigung der handelnden Personen. Nationale Fachbeiträge heben Art 4 KI VO als Anker für Maßnahmen zur KI Kompetenz hervor. Für Kanzleien heißt das. Fortbildung, dokumentierte Prozesse und klare Zuständigkeiten.
So verankern Sie KI Kompetenz wirksam und rechtssicher in Ihrer Kanzlei.
Definieren Sie eine interne KI Policy. Zulässige Tools, Datenzugriffe, Mandatsgeheimnis, Prüfschritte, Freigaben. Verbindlich und schriftlich.
Führen Sie einen Vier Augen Prozess für KI gestützte Schriftsätze ein. Mindestens eine erfahrene Verteidigungsperson prüft Inhalt, Subsumtion und Zitate.
Etablieren Sie eine Quellenprüfung. Jede zitierte Entscheidung wird im RIS oder in einer anerkannten Datenbank gegengeprüft. Verlassen Sie sich nicht auf sekundäre Fundstellen.
Arbeiten Sie mit Checklisten
Unterschrifts Workflow absichern. Technisch und organisatorisch sicherstellen, dass nur befugte Verteidigerinnen und Verteidiger final signieren.
Dokumentieren Sie die fachliche Kontrolle. Kurzvermerk zur Prüfung und zum RIS Gegencheck der Zitate in der Akte ablegen.
Schulen Sie das Team gezielt zur KI Kompetenz. Fokus auf Prompt Gestaltung, Grenzen von Sprachmodellen, Halluzinationsmuster, Datenschutz und Geheimhaltung.
Verwenden Sie Recherchetools mit Primärnachweisen. Bevorzugen Sie Lösungen, die RIS Dokumentnummern oder ELI angeben, und speichern Sie die Nachweise in der Akte.
KI ist Werkzeug, keine Entschuldigung. Wer sie in der juristischen Arbeit nutzt, braucht nachweisbare KI Kompetenz, klare interne Prozesse und eine sorgfältige Prüfung jeder Quelle. Entscheidend ist, dass Argumente tragfähig sind, Zitate exakt belegt werden und die fachliche Verantwortung beim Menschen bleibt. Ohne diese Kontrolle entstehen vermeidbare formelle und materielle Risiken. Mit guter Organisation, gezielter Schulung und konsequentem Quellencheck wird KI vom Risikofaktor zum Produktivitätshebel.
OGH 7.10. 2025, 14 Os 95/25i – Zurückweisung einer mit KI erstellten Nichtigkeitsbeschwerde wegen formeller Mängel.
