Am 24. Juni 2025 bestätigte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in seinem Erkenntnis G 170/2024, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verfassungskonform ist. Medien und soziale Netzwerke schlugen daraufhin hohe Wellen – von „bahnbrechender Entscheidung“ bis zu „rückwirkender Nichtigkeit aller Wertsicherungsklauseln“. Doch was ist tatsächlich passiert?
Der VfGH hatte zu beurteilen, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, Unternehmer:innen (also etwa gewerblichen Vermieter:innen) die Verwendung bestimmter Wertsicherungsklauseln gegenüber Verbraucher:innen zu verbieten, wenn:
diese innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss eine Mietzinsanpassung erlauben und
nicht individuell ausgehandelt wurden.
Ergebnis: Ja, das ist verfassungskonform. Der Gesetzgeber darf aus Gründen des Verbraucherschutzes solche Vertragsbestimmungen untersagen, ohne gegen den Gleichheitssatz oder das Eigentumsrecht zu verstoßen.
Kurz gesagt: Nichts Neues. Denn das, was der VfGH nun bestätigt hat, ist seit Jahren etablierte Rechtsprechung des OGH. Besonders bemerkenswert ist lediglich, dass der VfGH nun auch die Verfassungskonformität der Regelung bestätigt hat. Das bedeutet: Die ordentlichen Gerichte können § 6 Abs 2 Z 4 KSchG weiterhin anwenden, ohne verfassungsrechtliche Bedenken fürchten zu müssen.
Die Missverständnisse rühren u.a. daher, dass der VfGH in seinem Erkenntnis auch festhielt, dass unzulässige Wertsicherungsklauseln:
ex tunc (also rückwirkend) nichtig sind,
nicht geltungserhaltend reduziert werden können,
und damit zur Gänze wegfallen, wenn sie gegen das KSchG verstoßen.
Doch auch das ist nicht neu, sondern seit langem gefestigte Judikatur des OGH sowie des EuGH. Die medial oft zitierte Passage bezieht sich also nicht auf eine neue Auslegung, sondern spiegelt lediglich den aktuellen Stand der Rechtslage wider.
Wichtig ist auch: Der VfGH hat nicht über die Wirksamkeit einzelner Klauseln in konkreten Mietverträgen entschieden. Dies ist weiterhin Sache der ordentlichen Gerichte – also insbesondere des OGH. Der VfGH hat auch keine allgemeinen Aussagen zur Teilbarkeit oder Wirksamkeit von Wertsicherungsklauseln gemacht, sondern ausschließlich über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Bestimmung geurteilt.
Auch hier gilt: Keine neuen Rechte, aber Bestätigung der bisherigen Judikatur. Mieter:innen können weiterhin zu viel gezahlte Mieten zurückfordern, wenn die Wertsicherungsklausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verstößt. Das gilt nur für Verträge mit Unternehmer:innen, nicht für Verträge zwischen Privatpersonen.
Die Entscheidung ist juristisch unspektakulär, aber medienwirksam aufgegriffen worden – möglicherweise auch deshalb, weil der VfGH selbst seine Zusammenfassung des Erkenntnisses irreführend betitelte („Eine Wertsicherungsklausel in Mietverträgen kann ungültig sein“). Das hätte man schon vor Jahren in ein Bürgerliches Rechtslehrbuch schreiben können – und es wäre nicht falsch gewesen.
Der VfGH hat nichts aufgehoben, sondern nur bestätigt.
Die Entscheidung hat keine Auswirkungen auf neue oder bestehende Mietverhältnisse, die bereits OGH-konform formulierte Wertsicherungsklauseln enthalten.
Für Vermieter:innen heißt das: Wer weiterhin pauschale, früh wirksame und nicht verhandelte Wertsicherungsklauseln verwendet, riskiert deren vollständige Unwirksamkeit.
Für Mieter:innen: Ein guter Moment, Verträge überprüfen zu lassen – aber keine neuen Ansprüche.
Die Entscheidung des VfGH vom 24. Juni 2025 bringt keine rechtliche Zäsur, sondern bestätigt lediglich das bereits etablierte Zusammenspiel von Gesetz, Judikatur und verfassungsrechtlicher Bewertung: § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ist verfassungskonform und bleibt somit zentrale Schranke für formularmäßig vereinbarte Wertsicherungsklauseln in Verbrauchermietverträgen.
Für Vermieter:innen bedeutet das: Standardisierte, früh wirksame Indexanpassungen ohne individuelle Verhandlung bleiben unzulässig – und das nicht erst seit gestern. Wer rechtssichere Mietverträge abschließen will, kommt um eine sorgfältige, differenzierte Vertragsgestaltung nicht herum.
Für Mieter:innen gilt: Die aktuelle Entscheidung ändert nichts an den Erfolgsaussichten bereits bestehender Anfechtungsmöglichkeiten. Es war der OGH, der diese Öffnung geschaffen hat – und es bleibt auch der OGH, der im Einzelfall entscheidet. Der VfGH hat diesen Boden lediglich verfassungsrechtlich abgesichert – mehr nicht.
Tatsächlich neu ist damit nicht der Inhalt, sondern nur die Quelle der Bestätigung. Der rechtspolitische Lärm darüber: größer als der rechtspraktische Effekt.