Lisa Katharina Promok ist Juristin, Autorin und Leiterin eines Forschungsinstituts mit Fokus auf Zukunftsthemen im Versicherungswesen. Ihre berufliche Laufbahn vereint wissenschaftliche Tiefe mit strategischem Denken – von der Geschäftsführung kultureller Einrichtungen bis hin zur fachlichen Mitgestaltung im Bereich Cyberrisiken. Mit ihrem aktuellen Fachbuch „Zur Zukunft der Versicherung“ liefert sie einen vielbeachteten Beitrag zur Rolle von Künstlicher Intelligenz, ChatGPT & Co. in einer Branche im Wandel. Im Interview spricht sie über interdisziplinäres Arbeiten, moderne Führung – und warum gerade nicht-lineare Wege oft die nachhaltigsten sind.
Sie haben sich für ein Studium der Rechtswissenschaften entschieden und es mit Politikwissenschaft und Wirtschaft ergänzt – was hat Ihre Studienwahl damals beeinflusst, und würden Sie diesen Weg heute wieder so gehen?
Die Entscheidung für ein rechtswissenschaftliches Studium wurde maßgeblich durch mein Interesse an der strukturellen Funktionsweise gesellschaftlicher Ordnungen geprägt. Recht erschien mir als das Fundament, auf dem politische, wirtschaftliche und soziale Prozesse aufbauen. Die Kombination mit Politikwissenschaft und Wirtschaft war daher ein logischer Schritt, um komplexe Zusammenhänge interdisziplinär erfassen zu können.
Natürlich war auch Fehlinformation da, unter einem Politikwissenschaftsstudium habe ich mir anfangs etwas komplett anderes vorgestellt. Ich habe mich bei der Studienwahl von meinen Interessen leiten lassen. Rückblickend würde ich diesen Weg wohl wieder einschlagen: Die Breite der Perspektiven hat mein analytisches Denken geschärft und mir ein tiefes Verständnis für Entscheidungsmechanismen vermittelt, das mich bis heute begleitet. Ich möchte aber auch dezidiert sagen, dass man vorab nicht wissen kann, welches Studium das richtige für einen ist und es ist völlig in Ordnung sich nach 2-3 Monaten für etwas anderes zu entscheiden.
Frau Mag. Promok, Ihr Lebenslauf liest sich wie eine Mischung aus Hochleistung, Kreativität und strategischem Denken. Wann war Ihnen klar, dass Sie juristische Fachkompetenz mit unternehmerischem Denken verbinden möchten?
Mir wurde bereits während der Praktika in der Oberstufe aber auch während des Studiums bewusst, dass juristisches Denken allein nicht ausreicht, um Organisationen nachhaltig zu gestalten. Der Mehrwert entsteht oft erst dort, wo juristische Präzision mit unternehmerischem Weitblick verschmilzt. Dieser Erkenntnisprozess war weniger ein punktuelles Ereignis als vielmehr eine allmähliche Verschiebung meines beruflichen Selbstverständnisses.
Von der Geschäftsführung kultureller Einrichtungen bis hin zur Leitung eines Forschungsinstituts – Ihr Karriereweg ist alles andere als linear. Gab es Stationen, die rückblickend Wendepunkte waren?
In einem nicht-linearen Karriereweg entstehen Wendepunkte häufig dann, wenn man sich bewusst aus der eigenen Komfortzone herausbewegt. Für mich waren es insbesondere jene Stationen, in denen ich institutionelle Verantwortung übernommen oder neue Themenfelder aufgebaut habe. Sie zwangen mich dazu, meine Rolle neu zu denken, Prioritäten anders zu setzen und Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen produktiv zu verbinden. Am dankbarsten ist man oftmals später, dann sieht man, dass jede Berufsausübung ein wichtiger Teil des Puzzles war und einem zu dem Package gemacht hat, dass man schlussendlich ist.
Sie sind sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis zuhause. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Forschungstiefe und unternehmerischer Umsetzungskraft?
Keine Wissenschaft, ohne Praxis. Keine Praxis, ohne Wissenschaft. Beides ergänzt sich gut, auch wenn der Spagat nicht immer leicht gelingt. Wissenschaft erfordert methodische Strenge, Distanz und Systematik; unternehmerisches Handeln verlangt Pragmatismus, Geschwindigkeit und Fokus auf Ergebnisse. Entscheidend ist, situativ zwischen beiden Zugängen wechseln zu können.
Was würden Sie jungen Jurist:innen oder Studierenden raten, die sich breiter aufstellen wollen - jenseits der klassischen Karrierepfads?
Ich empfehle, frühzeitig über den juristischen Tellerrand hinauszublicken. Interdisziplinäre Kompetenzen – etwa in Technologie, Wirtschaft, Datenanalyse oder Sozialwissenschaften – erhöhen nicht nur die Beschäftigungsfähigkeit, sondern erweitern auch die Fähigkeit, rechtliche Probleme in ihren realen Kontext einzubetten. Ebenso wichtig ist es, Praxis- und Forschungserfahrungen zu kombinieren, um Theorie und Anwendung nicht getrennt voneinander zu denken. Vor allem, habt keine Angst und keinen Stress, ein Semester auf oder ab, bringt keinen Weltuntergang. Man muss mit 22 (oder auch mit 27, 28) nicht wissen, was man die nächsten 50 Jahre machen will.
Sie haben mit “Zur Zukunft der Versicherung” und einem weiteren Werk zum Thema Cyberversicherung gleich zwei spannende Fachbücher veröffentlicht. Was hat Sie dazu bewegt, den Schritt von der Juristin zur Autorin zu machen? Und welchen Rat geben Sie Jurist:innen, die selbst publizieren möchten, sich aber (noch) unsicher fühlen?
Der Schritt zum Publizieren entstand aus dem Wunsch, aktuelle Entwicklungen systematisch aufzuarbeiten und sie einem breiteren Fachpublikum zugänglich zu machen. Schreiben zwingt dazu, komplexe Materien zu ordnen, zu abstrahieren und argumentativ präzise zu strukturieren.
Wer mit dem Gedanken spielt zu veröffentlichen, sollte sich bewusst machen, dass wissenschaftliches Schreiben ein Prozess ist: Man wächst mit jeder Manuskriptversion.
Zur Zukunft der Versicherung
Künstliche Intelligenz, ChatGPT und Co
Das Versicherungswesen steht vor einem tiefgreifenden Wandel: Künstliche Intelligenz, Automatisierung und digitale Plattformen revolutionieren die Art und Weise, wie Risiken bewertet, Polizzen erstellt und Schäden reguliert werden. Doch was bedeutet das für Versicherungen, Vermittler:innen und Kunden:innen? Dieses Werk gibt einen fundierten Einblick in die Zukunft der Branche. Von der Rolle ...
Ihr aktuelles Buch beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz, ChatGPT & Co. im Kontext der Versicherungswelt. Wie kam es zu dieser Themenwahl – und welche zentrale Erkenntnis möchten Sie Ihren Leser:innen mitgeben?
Die Wahl dieses Themas ergab sich aus der Beobachtung, dass technologische Innovation derzeit einer der stärksten Transformationsimpulse im Versicherungswesen ist. KI beeinflusst Risikomodelle, Schadenprozesse, Produktentwicklung und regulatorische Fragestellungen gleichermaßen.
Leser:innen sollen vor allem mitnehmen, dass Künstliche Intelligenz weder Selbstzweck noch Bedrohung ist – sie ist ein Werkzeug. Ihr Nutzen hängt davon ab, wie verantwortungsvoll, rechtssicher und strategisch sie integriert wird.
Cyberversicherung ist ein hochaktuelles Thema. Welche Entwicklungen sehen Sie hier in den nächsten 5 Jahren?
Ich erwarte eine deutliche Professionalisierung, vor allem in puncto:
Standardisierung von Risikomodellen, insbesondere durch mehr Daten und Szenarioanalysen.
Stärkere Regulierung, etwa hinsichtlich Mindeststandards der IT-Sicherheit oder Anforderungen an Incident-Response-Prozesse.
Integration von Präventionsleistungen, sodass Cyberversicherung zunehmend als „Service-Ökosystem“ verstanden wird, nicht bloß als finanzielles Transferprodukt.
Sie sind auch im Fachbeirat von CyRiSo tätig – was ist die Mission dahinter, und welche Rolle spielt hier Ihre rechtliche Expertise?
Die Mission solcher Gremien besteht in der wissenschaftlich fundierten Analyse von Cyberrisiken sowie der Entwicklung von Standards, Methoden und Policy-Empfehlungen. Rechtliche Expertise ist dabei essenziell, weil Cyberrisiken vielfach Schnittstellen zu Haftung, Regulierung, Datenschutz und Vertragsgestaltung aufweisen. Die Aufgabe besteht darin, technische und ökonomische Erkenntnisse in rechtlich tragfähige Leitlinien zu überführen.
Was bedeutet für Sie moderne Führung – insbesondere in forschungsnahen oder interdisziplinären Teams?
Moderne Führung bedeutet für mich, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen unterschiedliche Wissenskulturen produktiv miteinander interagieren können. Vertrauen, Transparenz und klare Zielsetzungen sind ebenso notwendig wie die Fähigkeit, Vielfalt nicht nur zu tolerieren, sondern als Innovationsmotor aktiv zu nutzen. Führung ist in diesem Sinne weniger hierarchische Kontrolle, sondern vielmehr kuratorische Verantwortung.
Gibt es ein persönliches Motto oder eine Haltung, die Sie durch Ihre Karriere begleitet – gerade in herausfordernden Zeiten?
Ein Leitsatz, der mich immer begleitet hat, lautet: „Komplexität ist kein Hindernis, sondern eine Einladung zum Weiterdenken, Wachsen und Lernen.“
Gerade in herausfordernden Momenten hilft mir diese Haltung, Unsicherheiten nicht als Risiko, sondern als Chance für Erkenntnisgewinn und Weiterentwicklung zu sehen.
Und last but not least: Worauf sind Sie heute besonders stolz – beruflich wie persönlich?
Beruflich erfüllt mich der Gedanke, mit meinen Projekten und Publikationen Impulse in Zukunftsfeldern setzen zu können.
Persönlich bin ich jedoch besonders stolz darauf, dass mein Leben nicht nur einem Selbstzweck dient, sondern dass ich mich darüber hinaus vielfältig ehrenamtlich engagiere. Dieses Engagement ermöglicht es mir, gesellschaftliche Verantwortung aktiv wahrzunehmen und meine Kompetenzen dort einzubringen, wo sie einen unmittelbaren Nutzen stiften.
Wir bedanken uns für die Insights und wünschen weiterhin viel Erfolg und Freude.
Steckbrief: Persönliche Fragen an Lisa Katharina Promok
Wo und wie tanken Sie Energie?
In der Natur, am Berg, beim Yoga.
Welche App ist für Sie unverzichtbar?
Adidas Running
Eine Frage, die ich mir selbst immer wieder stelle …
Wieso kann ich so schwer Nein sagen?
Was ist Ihre größte Stärke?
Durchhaltevermögen
