Wie sieht ein Karriereweg aus, der mit öffentlichem Recht im Parlament beginnt – und in der Start-up-Szene bei Österreichs bekanntestem Angel-Investor landet? Laura Phillipeck-Casanova vereint juristische Expertise mit strategischem Denken, Kommunikationsgeschick mit Female Empowerment, und bringt dabei eine beeindruckende Portion Pragmatismus mit.
Als Head of Legal & Operations bei der Hans(wo)men Group weiß sie, wie man rechtliche Strukturen baut, ohne Innovationsgeist zu bremsen. Und sie zeigt, warum gerade Rollen im „Backoffice“ enormes strategisches Potenzial haben – wenn man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.
Im Gespräch gibt sie Einblicke in ihren unkonventionellen Karriereweg, verrät, warum Kommunikation oft genauso wichtig ist wie Rechtswissen, und teilt persönliche Learnings, die nicht nur Jurist:innen inspirieren dürften.
Ein Interview über Mut zur Veränderung, den Wert von Netzwerken – und die Kunst, Chancen nicht nur zu erkennen, sondern auch zu ergreifen.
Sie haben eine beeindruckende Reise vom österreichischen Parlament bis zur Start up-Szene hinter sich. Wann wussten Sie: Jetzt ist es Zeit, neue Wege zu gehen – abseits der klassischen Jurist:innen-Karriere?
Ich habe bereits mit 20 Jahren gewusst, dass die klassische Karriere als Anwältin nicht für mich in Frage kommt. Gerade während meinem Jusstudium fand ich öffentliches Recht, Europarecht und Verfassungsrechtsgeschichte besonders spannend, weswegen ich von meinem Nebenjob in einer Anwaltskanzlei ins österreichische Parlament gewechselt bin, um dort interessierte Personen durchs Haus zu führen. Ich habe eigentlich immer gedacht, dass ich in öffentlichen Institutionen am besten aufgehoben bin, nicht zuletzt weil ein Teil meiner Familie im öffentlichen Dienst arbeitet. Es kam dann alles anders als gedacht - und das war gut so.
Sie haben sich früh nicht nur auf „Recht“, sondern auch auf Kommunikation und Wirkung spezialisiert. Was hat diese Kombination für Ihre Karriere verändert?
Tatsächlich alles! Das Jusstudium ist eine großartige Basis und man kann in extrem vielen Berufsfeldern damit zu arbeiten beginnen. Ich bin sehr dankbar, dieses Studium durchgezogen zu haben und diese Ausbildung zu genießen. Aber das Jusstudium in Wien bringt einem aber auch eine sehr rigide Denkweise bei. Dass Recht de facto in Paragrafen gegossene Politik ist und bestimmte politische Entscheidungen und damit Werthaltungen dahinter stehen, habe ich erst später während meinem Studienaufenthalt in Paris verstanden, wie ich dann Politikwissenschaften an der Sciences Po studiert habe.
Im Kommunikationsmanagement geht es aber nicht darum, wie Dinge strikt rechtlich zu beurteilen sind - es geht um die Menschen und ihre Wahrnehmung. Wie wirken bestimmte Denkmuster in unserem Kopf und wie können wir diese Wirkung beeinflussen? Wie identifiziere ich Stakeholder und was muss ich bei der Kommunikation an die unterschiedlichen Zielgruppen beachten? Von Marketing zu PR ein paar Basics zu verstehen hat sich in meiner Karriere als sehr nützlich erwiesen. Allein als Einstieg in einen Job in einem Startup, wo man am Anfang wirklich alles selber macht. Da hüpft man nicht weit ohne einem Mindestmaß an wirtschaftlichem Verständnis über den juristischen Tellerrand hinaus.
Als Head of Legal & Operations bei der Hans(wo)men Group gestalten Sie das rechtliche Rückgrat von Start-ups mit. Was bedeutet „Legal“ in einem solch dynamischen Umfeld? Was sind Ihre Learnings, wenn es darum geht, Strukturen zu schaffen, ohne Innovation zu bremsen?
Die wichtigste Erkenntnis für mich gleich zu Beginn meiner Arbeit war: Verträge sind schön und gut, aber at the end of the day stellt sich die Frage der Durchsetzung. Bis bestimmte Themen gerichtlich ausgestritten sind, ist oft zu viel Zeit in der schnelllebigen Startup-Welt vergangen und das Momentum verstrichen. Den Rechtsweg zu bestreiten ist daher wirklich die absolute ultima ratio. Es ist also entscheidend, die Vertragsverhandlungen zu nutzen, um ein gemeinsames Verständnis für die Art der Zusammenarbeit zu prägen.
Welche rechtlichen Fragestellungen kommen bei der Begleitung von Frühphasen Start-ups immer wieder auf den Tisch - und was wird oft unterschätzt?
Bei den meisten Startups geht es aber ganz klassisch mal um die Themen, die jedes Unternehmen anfangs hat: AGBs und Dienstverträge für die ersten Mitarbeitenden aufsetzen.
Unterschätzt wird die Komplexität von den unterschiedlichen Systemen der Mitarbeitendenbeteiligung: ESOP und VSOP Programme bzw. aktuell gerne Substanzgenussrechte, die aufgrund von steuerlichen Vorteilen ihr Revival erleben. Die Intention dahinter ist jeweils klar: Als Founderteam möchtest du deine Top Talente ans Unternehmen binden, auch wenn wenig Budget da ist. Aber gerade in der Umsetzung gibt es da einiges zu bedenken. Letztlich ist da das Steuerrecht ausschlaggebend, weil sich ja alles um die Frage dreht, wie man den Mitarbeitenden viel (zurück-)geben kann, ohne dass sie dann womöglich die Hälfte für die Lohnsteuer wieder abgeben müssen.
Ob bei waff oder Viora – Ihr Werdegang zeigt eine starke Mission: Frauen befähigen, sichtbar machen, fördern. Was bedeutet Female Empowerment für Sie persönlich?
Female Empowerment bedeutet für mich zwei Dinge. Auf der einen Seite geht es darum, Frauen individuell in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken und auf der anderen Seite geht es darum, strukturelle Veränderungen zu bewirken. Auch die vor Selbstvertrauen nur so strotzende Frau kämpft mit subtilen Alltagssexismus, der am Ende des Tages einfach auslaugt.
Es ist jedenfalls entscheidend, dass Frauen an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten und Chancen ergreifen, beruflich wie privat. Ich persönlich habe z.B. sehr viel Coaching und Rhetoriktraining in Anspruch genommen und zu jeder sich bietenden Gelegenheit Ja gesagt: Ob pitchen auf einer Bühne oder die Moderation eines Events plus Vortrag mit einer hochkarätigen Vorständin. Nach dem Motto: Wenn deine Führungskraft dir etwas zutraut, dann solltest du das selbst auch tun. Außerdem bedeutet Female Empowerment für mich: Ich nutze Chancen und bin damit in Räumen präsent, wo wenig Frauen sind - weil ich Teil der Veränderung sein möchte.
Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit Rechts- und Operationsarbeit nicht als „Verwaltung“, sondern als strategische Enabler wahrgenommen werden?
Das ist ein schwieriger Spagat. Ich habe das selbst erlebt: Compliance wird als ausbremsend erlebt, gerade in kleinen Unternehmen, wo die zeitlichen und finanziellen Ressourcen knapp sind - und das ist absolut verständlich. Ich denke es geht darum, über das Juristische hinauszudenken. Welche wirtschaftlichen Herausforderungen stehen an und wie können diese gelöst werden? Wenn eine gute Compliance Struktur besteht, dann können z.B. ISO Zertifikate trustworthiness im Sales Prozess vermitteln. Das kann man dann auch gut argumentieren. Eine gesunde Portion Pragmatismus ist also definitiv von Vorteil, es wird niemals alles perfekt wie im Buch bzw. nach Strich und Faden ablaufen.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Laufbahn zurückblicken: Welche Kompetenzen – juristisch oder persönlich – waren besonders entscheidend, um mitgestalten zu können, statt nur zu verwalten?
Kontaktfreude, Tatkraft und positive Einstellung: Ich treffe gerne Leute und connecte sie miteinander, setze Dinge rasch und pragmatisch um und gehe dabei immer davon aus, dass schon alles gut gehen wird. Mein Motto ist “Einfach machen” und wenn ich mal Fehler mache, dann ist das part of the journey, weil nur so entwickelt man sich weiter.
Wenn Sie Ihrem jüngeren Ich – als Studentin oder Berufseinsteigerin – einen Rat mitgeben könnten: Was wäre es?
Ich würde mir sehr gerne selber sagen: Trau dir mehr zu! Und: Alles kommt so, wie es kommen soll. Der “Gender Confidence Gap” (Anmerkung: dass alle Geschlechter zwar mit demselben Level an Selbstvertrauen auf die Welt kommen, aber ab 8 Jahren das Selbstbewusstsein von Frauen signifikant sinkt und erst wieder mit Mitte 50 mit jenem der männlichen Peers vergleichbar ist) war für mich jedenfalls auch ein Thema. Ich hab meine Leistungen ganz oft mit anderen Studierenden verglichen oder mich oft nicht getraut, auf Veranstaltungen zu gehen - aus Angst, nichts Wertvolles beitragen zu können. Das ist heute nicht mehr so - im Gegenteil, ich gehe fast überall hin, wo ich eingeladen werde, wenn es der Terminkalender hergibt.
Und last but not least: Was dürfen wir von Ihnen und der Hans(wo)men Group in den nächsten Jahren noch erwarten?
Die Hans(wo)men Group ist mittlerweile ein schlagkräftiges Team von vier Personen: Neben Johann “Hansi” Hansmann als Österreichs einflussreichster Super Angel und der beeindruckenden Managing Partnerin Lisa Pallweber haben wir noch unseren Investment Manager Andrei Podlesnyi und mich an Bord. Zusammen werden wir die spannendsten und innovativsten Lösungen am Markt groß machen!
Mein großer Wunsch ist es natürlich, mehr weibliche Gründerinnen im Portfolio zu sehen.
Wir bedanken uns für die spannenden Insights und wünschen weiterhin ganz viel Freude, Mut und Erfolg. 🚀
Steckbrief: Persönliche Fragen an Laura Phillipeck-Casanova
Wo und wie tanken Sie Energie?
Unter der Woche bei Treffen mit meinen Freundinnen, bei einer Runde Laufen an der Liesing oder einer Session Yoga, bei spannenden Events und gemütlich beim Lesen von Romanen zu Hause.
Welche App ist für Sie unverzichtbar?
Die App unserer ehemaligen Portfolio Company myClubs. Ich gehe mit myClubs am liebsten ins Yoga, Pilates oder Boxen.
Eine Frage, die ich mir selbst immer wieder stelle:
Wo werde ich wohl in 5 Jahren sein und wie werde ich dann über die jetzige Gegenwart und aktuelle Herausforderungen denken?
Was ist Ihre größte Stärke?
Networking. Klingt abgedroschen, ist aber so. Ich liebe es, neue Personen kennenzulernen und bei jeder Gelegenheit miteinander zu connecten. Networking ist einfach mein Hobby und Dinge, die man gern macht, macht man gut. Vor allem für Frauen ist es wichtig, sich untereinander auf Opportunities aufmerksam zu machen!
