Restrukturierung und Insolvenzrecht – ein Rechtsbereich, der gleichermaßen mit Krisen wie auch mit Chancen verbunden ist. Für viele klingt er nach nüchternen Zahlen und schwierigen Situationen, doch für Georg Wabl und Michael Mohr von BINDER GRÖSSWANG steckt weit mehr dahinter: ein spannendes Zusammenspiel von juristischem Know-how, wirtschaftlichem Verständnis und strategischem Denken.
Im Gespräch mit LawFinder geben die beiden Einblicke in die besonderen Herausforderungen ihres Fachgebiets, berichten von entscheidenden Momenten ihrer Karriere und erklären, warum gerade zwischenmenschliche Qualitäten im Restrukturierungs- und Insolvenzrecht so entscheidend sind. Außerdem teilen sie persönliche Erfahrungen aus internationalen Stationen, geben Karrieretipps für Nachwuchsjurist:innen und verraten, warum ihnen die Arbeit – trotz aller Komplexität – „leicht von der Hand geht“.
Herr Wabl, Herr Mohr, was fasziniert Sie persönlich an der Arbeit im Restrukturierungs- und Insolvenzrecht – einem Feld, das häufig mit Krisen, aber auch mit Chancen verbunden ist?
Wabl: Ich überlasse Michael die ausführlichere Antwort. Was mich betrifft kann ich ganz einfach berichten, dass mir dieser Rechtsbereich neben dem inhaltlichen Reiz ganz einfach Spaß macht und mir die Arbeit dadurch leicht von der Hand geht. Etwas, das am Ende wahrscheinlich noch wichtiger ist als das Inhaltliche.
Mohr: Besonders spannend am Restrukturierungs- und Insolvenzrecht ist für mich, dass man an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Rechtsbereichen und wirtschaftlichem Know-how arbeitet. Es ist ein Bereich, in dem juristisches Fachwissen, wirtschaftliches Verständnis und strategisches Denken aufeinandertreffen, um so maßgeschneiderte Lösungen für Krisensituationen zu entwickeln, die langfristig tragfähig sind. Da jede Krise einzigartig ist, muss sich auch der Lösungsansatz jedes Mal aufs Neue an die individuellen Umstände anpassen. Und ja, ich habe auch den Eindruck, dass mir die Arbeit leicht von der Hand geht 😉.
Sie beide beraten in einem hochspezialisierten Bereich. Wie würden Sie einer außenstehenden Person erklären, worin der Reiz Ihrer täglichen Arbeit liegt – und wo die größten Herausforderungen?
Mohr: Der Reiz liegt in der Vielseitigkeit und der unmittelbaren Tragweite der zu treffenden Entscheidungen. Häufig geht es um nicht weniger als den Fortbestand eines Unternehmens – und damit auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Gerade diese Verantwortung macht unsere Tätigkeit so spannend: Bei einer erfolgreichen Restrukturierung können enorme Werte erhalten oder sogar neue geschaffen werden.
Die größten Herausforderungen bestehen darin, die oft unterschiedlichen und teils gegensätzlichen Interessen der Beteiligten – wie Gläubiger, Schuldner und Gesellschafter – miteinander in Einklang zu bringen. Es muss eine gemeinsame Basis geschaffen werden, auf der eine gemeinsame Restrukturierung aufbauen kann. Zwar stehen die Interessen unserer Mandanten im Vordergrund, für eine erfolgreiche Restrukturierung müssen aber oft alle Beteiligten an einem gemeinsamen Strang ziehen. Dafür braucht es nicht nur juristisches und wirtschaftliches Fachwissen, sondern auch Verhandlungsgeschick und Fingerspitzengefühl.
Wabl: Gerade der letzte Punkt spielt in unserem Bereich eine besondere Rolle. Bei Restrukturierungen sitzen oft 10, 15 oder mehr Beteiligte an einem Tisch. Gleichzeitig ist der Zeitdruck meistens sehr hoch und wichtige Entscheidungen sind in wenigen Tagen oder sogar Stunden zu treffen. Dabei „menschelt“ es auch regelmäßig. Als Rechtsberater kann man hier nicht nur mit juristischen, sondern sehr oft auch mit zwischenmenschlichen Qualitäten punkten.
Herr Wabl, Stationen wie Ihr LL.M.-Studium in London und das Secondment in Amsterdam sind prägend – nicht nur fachlich, sondern oft auch persönlich. Welche Eindrücke oder Erfahrungen aus dieser Zeit wirken bis heute in Ihrer Arbeit nach – und was würden Sie jungen Jurist:innen empfehlen, die über einen solchen Schritt nachdenken?
Wabl: Ja, beide Erfahrungen waren absolut prägend, und gleichzeitig völlig unterschiedlich. Bei meinem LL.M. wollte ich einfach raus in die Welt, um meine Komfortzone zu verlassen und menschlich wie fachlich zu wachsen. Mein Secondment hatte neben der beruflichen Perspektive (die Arbeit für eine ausländische Top-Kanzlei mit Büros auf der ganzen Welt erweitert den Horizont noch einmal enorm) aufgrund meiner niederländischen Wurzeln auch persönliche Beweggründe. Was ich damit sagen möchte: Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln. Wofür man sich entscheidet, hängt immer von den persönlichen Zielen und Lebensumständen ab. Kanzleien und auch sonstige Arbeitgeber sehen es natürlich immer gerne, wenn junge Talente bereit sind, mit besonderem Einsatz an ihrer persönlichen wie beruflichen Weiterentwicklung zu arbeiten.
Gab es auf Ihrem bisherigen Karriereweg einen Moment, der für Sie beide rückblickend besonders entscheidend war – sei es als Herausforderung oder als Meilenstein?
Mohr: Für mich war das die erste Restrukturierung, an der ich aktiv mitarbeiten durfte. Es war eine anspruchsvolle Zeit, in der ich als junger Rechtsanwaltsanwärter das erste Mal die Komplexität und Tragweite eines solchen Prozesses miterleben konnte. Diese Erfahrung war zweifellos herausfordernd, doch umso größer war die Freude über den erfolgreichen Abschluss. Dies hat mir verdeutlicht, dass ich mich in diesem Bereich weiter spezialisieren möchte.
Wabl: Nie vergessen werde ich einen Kurztrip nach London. Als ich gerade als junger Anwalt frisch bei BINDER GRÖSSWANG war, arbeiteten wir gemeinsam mit einer englischen Kanzlei an einer riesigen internationalen Restrukturierung. Es ging um Milliarden. An einem Mittwochabend wurden wir zu einem am nächsten Tag in London angesetzten „Emergency Meeting“ eingeladen. Donnerstagfrüh flog ich also gemeinsam mit einem Senior Partner dorthin. Beim Meeting waren zahlreiche Banker, Finanzberater und Anwälte. Die heikelsten Punkte drehten sich um das österreichische Recht und ich „durfte“ zu meiner großen Überraschung zu diesen Punkten das Wort führen. Währenddessen war ich wie im Tunnel. Der Termin ist zum Glück insgesamt gut gelaufen. Seitdem bringt mich in Meetings nicht mehr so schnell etwas aus der Ruhe.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit im Team konkret aus – gibt es bestimmte Prinzipien oder Rituale, die für eine gute Teamdynamik sorgen?
Wabl: Das mit Abstand wichtigste ist aus meiner Sicht ein respektvoller und menschlicher Umgang miteinander. Alles andere kommt dann von selbst. Ich denke, das funktioniert nicht nur bei uns im Team, sondern generell bei BINDER GRÖSSWANG sehr gut.
Mohr: Statt Ellbogenmentalität steht bei uns im Team das starke Miteinander und gegenseitiges Vertrauen im Vordergrund. Gerade in einem so spezialisierten Bereich ist der fachliche Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen wichtig, um die Qualität der Arbeit stetig zu steigern und auch den eigenen Lernprozess zu fördern. Ich habe selbst als juristischer Mitarbeiter bei BINDER GRÖSSWANG begonnen, bevor ich Konzipient wurde und schätze es sehr, dass hier so viel Wert auf die Förderung und Entwicklung gelegt wird. Mindestens genauso wichtig wie der fachliche Austausch sind aber die gemeinsamen Mittagspausen, Afterwork-Events oder ein Kaffee zwischendurch.
Wie verändert sich Ihrer Beobachtung nach die Rolle der Rechtsanwält:innen in insolvenznahen Situationen – sind neue bzw andere Kompetenzen gefragt als in anderen Rechtsbereichen?
Wabl: Wie schon zuvor gesagt, spielen in diesem Bereich wirtschaftliche Aspekte eine deutlich stärkere Rolle als in anderen Bereichen. Um eine Unternehmenssanierung rechtlich zu begleiten, muss man zuerst einmal verstehen, was die Krisenursachen waren und durch welche Sanierungsmaßnahmen eine Krise überwunden werden kann. Erst dann kann man all das in eine rechtliche Form (zB einen Vertrag) gießen. Je mehr sich eine Krise zuspitzt, desto wichtiger ist es auch, Ruhe zu bewahren und das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.
Was würden Sie jungen Jurist:innen raten, die sich für eine Karriere im Bereich Restrukturierung & Insolvenzrecht interessieren?
Wabl: Wenn jemand motiviert und neben dem Juristischen insbesondere auch an betriebswirtschaftlichen und unternehmerischen Aspekten interessiert ist, könnte das genau der richtige Rechtsbereich sein. Dabei kann man zB von betriebswirtschaftlichen Fächern, Lehrgängen oder Studien, aber auch von Praktika bei einer Unternehmensberatung, einem Wirtschaftsprüfer oder auch bei einer Bank nur profitieren. Wenn man schon in der Schule nie an Mathematik interessiert war, dann ist man in anderen Rechtsgebieten vielleicht besser aufgehoben 😉.
Vielen Dank für das spannende Interview und den tollen Einblick in den Bereich Restrukturierung & Insolvenzrecht! Wir wünschen Ihnen beiden alles Gute für die weitere Zukunft.
Steckbrief: Persönliche Fragen an Georg Wabl
Wo und wie tanken Sie Energie?
Zuhause beim Entspannen oder am Tennisplatz
Angenommen es gibt die Rechtsbranche nicht mehr. Welchen Beruf hätten Sie dann?
Schwierig zu sagen, ich war immer fasziniert von Dinosauriern, daher vielleicht Paläontologe
Welches Buch lesen Sie gerade?
Kurze Antworten auf große Fragen von Stephen Hawking
Was machen Sie als erstes nach dem Aufwachen?
„Snoozen“ und dann im besten Fall kurz Zeitung lesen
Welche Anwaltsserie schauen Sie am liebsten?
Suits
Was ist Ihre größte Stärke?
Ich denke mich bringt nichts so schnell aus der Ruhe
Steckbrief: Persönliche Fragen an Michael Mohr
Wo und wie tanken Sie Energie?
Beim Sport oder beim Kochen
Angenommen es gibt die Rechtsbranche nicht mehr. Welchen Beruf hätten Sie dann?
In der Kunstbranche, zum Beispiel als Galerist
Welche Apps sind für Sie unverzichtbar?
Beruflich Mails, privat Spotify
Wo möchten Sie in 10 Jahren sein?
Teil eines dynamischen Teams mit dem die Arbeit Spaß macht
Welche Anwaltsserie schauen Sie am liebsten?
Better Call Saul
Was war Ihr prägendstes Studienerlebnis?
Auslandssemester in Spanien